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Myanmar: Hilfe aus Österreich vor Ort

Ein massives Erdbeben erschüttert Ende März weite Teile Myanmars. Mehr als 1,3 Millionen Menschen sind direkt betroffen. Die internationale Hilfe läuft auf Hochtouren, auch das Österreichische Rote Kreuz unterstützt den Wiederaufbau mit erfahrenem Personal. Doch mit dem Monsun drohen noch komplexere Herausforderungen.

Eine Gruppe Menschen steht vor den Trümmern eines Wohnhauses

Am Freitag, dem 28. März 2025, exakt um 12:50 Uhr Ortszeit, beginnt der Boden Myanmars zu beben – und reißt auf einer Länge von mehr als 460 Kilometern auf. In wenigen Sekunden verschieben sich tektonische Platten um gut fünf Meter in nördliche und südliche Richtung. Das Epizentrum des Erdbebens mit der Stärke 7,7 liegt in der Region Sagaing, nur wenige Kilometer von der Millionenstadt Mandalay entfernt. Die Folgen sind fatal: unzählige Gebäude stürzen ein, ersten Schätzungen zufolge sterben unmittelbar mehr als 3.300 Menschen beim schwersten Erdbeben in Myanmar seit 1930.

Neue Dimension der Verwüstung

Die Überreste eines eingestürzten Wohnhauses, im Vordergrund fährt ein Mann auf einem Moped

Das Erdbeben ist so gewaltig, dass selbst in der tausend Kilometer südlich gelegenen thailändischen Hauptstadt Bangkok mehrere Hochhäuser einstürzen. Auch dort sterben mehr als 60 Menschen. In Myanmar selbst, einem der ärmsten Länder Südostasiens, sind mehr als 1,3 Millionen Menschen direkt betroffen.

Die humanitäre Lage ist dramatisch. Gemeinschaften, die bereits unter jahrelangen Konflikten, Vertreibung, wirtschaftlicher Not und wiederkehrenden Naturkatastrophen leiden, stehen plötzlich vor einer neuen Dimension der Verwüstung. Bei sengender Hitze und beschädigter Wasserinfrastruktur steigt zudem das Risiko der Dehydrierung und der Verbreitung von Krankheiten durch mangelnde Hygiene.

Speziell in den drei Regionen Bago, Mandalay und Sagaing, dem südlichen Shin-Staat und dem Unionsterritorium Naypyidaw mit der gleichnamigen Hauptstadt Myanmars sind die langfristigen Folgen noch unabsehbar. Die wirtschaftliche Existenzgrundlage unzähliger Menschen ist zerstört; viele kleine Unternehmen und Landwirtschaften wurden vernichtet.

Unglaublich komplexe Herausforderungen

Marianne Pecnik

Die Rotkreuzgesellschaft Myanmars (MRCS) reagierte – in enger Zusammenarbeit mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) – unverzüglich mit umfangreichen Notfallmaßnahmen. Und auch das Österreichische Rote Kreuz unterstützt die Menschen vor Ort mit umfassendem Know-how.

Die Kärntnerin Marianne Pecnik, 49, ist direkt aus einem anderen Krisengebiet eingeflogen: „Ich war zuvor im Südpazifik im Einsatz, wo ein Erdbeben im Dezember 2024 große Schäden auf Vanuatu angerichtet hat.“ Die Architektin mit einem zusätzlichen Studium im Naturgefahrenmanagement bringt ihre Erfahrungen im Bereich Shelter ein, also im Aufbau notwendiger Unterkünfte: „Gerade nach Erdbeben in dicht besiedelten urbanen Räumen stehen wir vor unglaublich komplexen Herausforderungen. Und genau das ist in Myanmar geschehen.“

Menschen haben alles verloren

Seit mehr als 20 Jahren ist Marianne Pecnik im Dienst des Österreichischen Roten Kreuzes unterwegs. Nach dem verheerenden Tsunami 2005 half sie drei Jahre beim Wiederaufbau in Sri Lanka. „In Myanmar sehen wir wieder, dass vor allem Betonbauten, die nicht den Baurichtlinien entsprechen, eingestürzt sind. Gleichzeitig überstehen traditionelle Holzhäuser auf dem Land solche Naturkatastrophen viel besser.“

Marianne Pecnik hat ein Büro in der früheren Hauptstadt Yangon bezogen, eine Flugstunde von Mandalay entfernt. Ihre Aufgabe besteht in erster Linie in der Organisation und Koordination von Hilfsmaßnahmen und die Planung der nächsten Monate: „Die Kolleginnen und Kollegen vom IFRC, dem MRCS und dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR arbeiten Hand in Hand. Sehr viele Menschen haben alles verloren, ihr Zuhause, ihr Hab und Gut. Sie stehen buchstäblich auf der Straße. Selbst eine so große Organisation wie das Rote Kreuz muss sich perfekt abstimmen, um rasch und effektiv helfen zu können.“

Was tun mit all dem Schutt?

Ein Mann steht vor den Überresten eines Hauses

Die tatsächliche Opferzahl dürfte höher sein als die ursprünglich angegebenen 3.300. „Wir gehen mittlerweile von noch mehr Toten aus“, sagt Marianne Pecnik. „Wir haben von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Feldeinsatz gehört, dass noch sehr viele Leichen unter den Trümmern verschüttet sind.“

Eine ihrer Aufgaben ist das sogenannte „Debris-Management“, also der Umgang mit den riesigen Schuttmengen. „Gerade ältere Menschen können die Trümmer ihrer Häuser nicht selbst beseitigen. Wir unterstützen sie mit finanziellen Mitteln, damit sie Firmen oder Helfer beauftragen können. Erst wenn die Flächen frei sind, können wir damit beginnen, provisorische Unterkünfte zu errichten.“

Was die Lage der betroffenen Menschen nach dem Beben zusätzlich verschärft, ist das tropische Klima: „Zuletzt hatten wir hier tagsüber über 40 Grad“, sagt Marianne Pecnik. „Und das bedeutet, dass wir uns etwas überlegen mussten: Wie können wir diese schwierigen Bedingungen entschärfen? Normalerweise werden Behelfsunterkünfte rasch mit Plastikplanen errichtet. Wir haben uns nach natürlichen Materialien umgesehen, zum Beispiel Nipapalmenblätter, die wir auf den Planen befestigen, um die unerträgliche Hitze abzuschwächen.“

 

Erfahrungen aus dem Tsunami 2005

Ende Mai beginnt die Monsunzeit und damit die Gefahr von Wirbelstürmen. Umso wichtiger ist es, den Übergang in die nächste Phase der Hilfsmaßnahmen zu schaffen, die sogenannte „Early-Recovery Phase“ oder Frühphase des Wiederaufbaus: „Wir sind gerade dabei, Übergangsunterkünfte zu errichten, die mindestens zwei Jahre halten und den Menschen damit für längere Zeit einen geschützten Raum zur Verfügung stellen zu können“, sagt Marianne Pecnik. „Wir haben seit dem Tsunami 2005 großes Know-how gesammelt, wie man solche Gebäude innerhalb von zwei Wochen aufstellen kann.“

Wichtig ist immer die Kooperation mit lokalen Behörden und natürlich der nationalen Rotkreuz- beziehungsweise Rothalbmond-Organisationen wie in Myanmar mit dem MRCS: „Um das Budget zu erstellen, braucht es immer eine exakte Marktanalyse. Gerade nach Naturkatastrophen stellt sich immer die Frage: Ist überhaupt genügend Baumaterial vorhanden? Und wie wirkt sich das auf die Preise aus, wenn so viele Menschen gleichzeitig zu bauen beginnen?“

Wirbelstürme und Überschwemmungen kommen

Michael Wolf

Neben Marianne Pecnik war ihr ÖRK-Kollege Michael Wolf, 53, mehrere Wochen in Myanmar aktiv, ehe er Mitte Mai nach Wien zurückkehrte. Er war bereits 2008 neun Monate in Myanmar stationiert, nachdem der Zyklon Nargis verheerende Verwüstungen angerichtet hatte. Diesmal war der gebürtige Bayer als „Advanced Team Leader“ im Einsatz, der sich mit seinen umfangreichen Kenntnissen und Kompetenzen rund ums Wasser einen ersten Eindruck der Situation verschaffen konnte: „Ich war mit Kolleginnen und Kollegen des MRCS unter anderem in Sagaing und in der Nähe von Mandalay unterwegs.“

Gerade im WASH-Bereich, in dem sich alles um (Trink-)Wasseraufbereitung, Sanitär- und Hygieneversorgung dreht, geben die Monsunzeit und die damit verbundene Gefahr von Zyklonen, Starkregen und Überschwemmungen Anlass zur Sorge, sagt Michael Wolf, der zuvor drei Monate lang ein Projekt des ÖRK in Uganda unterstützt hat.

Gerade für Menschen, die keine feste Unterkunft haben, werden die kommenden Wochen sehr riskant: „Wer bei diesem starken Wind und Regen binnen kürzester Zeit klatschnass wird, erleidet leichter Atemwegserkrankungen. Außerdem rechnen wir mit einem Anstieg von Durchfallerkrankungen, weil sich die Überschwemmungen natürlich negativ auf die hygienische Situation auswirkt – vor allem bei Menschen, die gesundheitlich ohnehin schon geschwächt sind.“

Keine neue Aufbereitungsanlage

Ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes arbeitet an einem Wassertank

Dazu kommt, dass die zu erwartenden Überschwemmungen massiven Einfluss auf die Trinkwasseraufbereitung haben: „Stellen an Seen und Flüssen, an denen wir jetzt noch Wasser entnehmen können, werden in wenigen Wochen überflutet sein.“ Deshalb hat Michael Wolf nach seiner Erkundungstour vom Aufbau einer neuen Aufbereitungsanlage abgeraten: „Unter den gegebenen Umständen war es nicht möglich, die Maschinen und die dafür benötigten Menschen schnell genug ins Land zu bekommen.

Immerhin, sagt Michael Wolf, gibt es auch positive Erkenntnisse: „Wir haben gesehen, dass Anlagen, die wir 2008 in Betrieb genommen, immer noch funktionieren.“ Sein Lob gilt in diesem Fall vor allem den Kolleginnen und Kollegen vom Roten Kreuz in Myanmar: „Sie haben ihr Wissen immer wieder weitergegeben und neue Leute ausgebildet. Und einiges an Material, das damals ins Land kam, ist heute ebenfalls noch in Verwendung, darunter Sandfilter, Pumpen und Wassertanks. Das zeigt uns, wie nachhaltig und damit erfolgreich unsere Arbeit damals war.“

Folgen sind jahrzehntelang spürbar

Eine Gruppe Kinder sitzt unter einer Plane

Ein großes Problem sind zudem die mehr als 160 zerstörten Gesundheitszentren: „Das hat natürlich langfristig massive Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft Myanmars“, sagt Marianne Pecnik. „Die Kolleginnen und Kollegen vom japanischen Roten Kreuz haben aber bereits begonnen, Mobile Health Units zu organisieren, also Gesundheitsteams, die mit Rettungswägen in betroffene Regionen fahren. So soll die grundlegende Gesundheitsversorgung aufrechterhalten werden.“

Myanmar, sind sich Marianne Pecnik und Michael Wolf einig, wird jahrzehntelang an den Folgen des Erdbebens leiden. „Das haben wir nach dem Beben in Haiti 2010 gesehen und das sehen wir in der Türkei und Syrien nach der Katastrophe 2023.“ Wichtig ist es jetzt, die nötige Logistik zu stärken, um bereits im Land befindliche Hilfsgüter zu den betroffenen Menschen zu bringen. „Und in weiterer Folge braucht es eine kluge Planung, um den MRCS weiter aufzubauen – auch, damit das Rote Kreuz in Myanmar fit bleibt für die nächsten Herausforderungen.“

Eine große Familie

Zwei Mitarbeiterinnen des Roten Kreuzes gehen durch eine Zeltstadt

Marianne Pecnik bleibt voraussichtlich noch bis Anfang Juni in Myanmar. Doch auch, wenn die österreichischen Helfer:innen nicht mehr vor Ort mit Rat und Tat im Einsatz sind, bleibt die Hilfe für das Katastrophengebiet aufrecht, sagt Michael Wolf: „Unsere Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland, Dänemark und Norwegen bleiben auf jeden Fall noch länger dort. Und natürlich werden wir sie weiterhin unterstützen, nicht zuletzt mit Spendengeldern, die für die Menschen wirklich überlebensnotwendig sind.“

Diese internationale Zusammenarbeit, sagt Michael Wolf, ist schließlich eine der ganz großen Stärken des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes: „Selbst wenn wir persönlich nicht im Feld helfen können, sind andere Nationalgesellschaften präsent und können Projekte umsetzen. Man sagt ja oft, dass wir eine große Familie sind. Und das stimmt: Niemand kann all diese Probleme allein lösen, aber wir arbeiten eng zusammen und unterstützen uns, wo immer es geht.“

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20.5.2025

Spendenzweck

Erdbeben in Südost Asien

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