Mit Blaulicht durch ein Jahr Pandemie
1.400 Rotkreuz-Mitarbeiter*innen halfen auch im Jahr 2020 wieder das Leid von Menschen in Not zu lindern. Knapp 230.000 freiwillige Arbeitsstunden wurden für die Bevölkerung unentgeltlich geleistet – im letzten Jahr auch im Kampf gegen die durch CoVid-19 ausgelöste Pandemie. Das Jahr 2020 hat an das Rote Kreuz besondere Herausforderungen gestellt. Als hauptverantwortliche Organisation in gesundheitlichen Krisen, hatte das Rote Kreuz auf einen Schlag viele zusätzliche Aufgaben zu schultern.

Das Rote Kreuz ist sehr vielfältig aufgestellt und unterstützt Menschen in vielen verschiedenen Notlagen – sei es mit einem Rotkreuz-Markt für Menschen mit geringem Einkommen, mit ALPHA-Lesecoaches, die leseschwache Kinder fördern, mit dem Besuchsdienst, der einsamen Menschen Zeit und Aufmerksamkeit widmet, oder mit dem Rettungsdienst, der im Notfall eine Erstversorgung sicherstellt und nicht-mobile Patient*innen sicher und rasch ins Krankenhaus bringt. Im Jahr 2020 gab es für alle, jedoch besonders für das Rote Kreuz wie für das gesamte Gesundheitssystem, ein intensives, belastendes Thema: der Einsatz gegen die durch CoVid-19 ausgelöste Pandemie.
Nicht nur, dass das Rote Kreuz neue Hygienekonzepte erarbeiten, nahezu alle Abläufe umstellen und entsprechende Maßnahmen ergreifen musste: überdies liegt der gesellige Teil des Vereinslebens seit mittlerweile mehr als einem Jahr quasi brach. Bedauerlicherweise musste das Rote Kreuz so manches Angebot aussetzen. Dies alles zum Schutz der Klientinnen und Klienten und um die Einsatzbereitschaft jederzeit sicherzustellen.
Senioren vor lauter Angst vor der Ansteckungsgefahr in die Vereinsamung getrieben
Über die verzwickte Situation, in der viele Seniorinnen und Senioren geraten sind, ist inzwischen einiges bekannt. Das Jahr 2020 hat das Leben der Senioren vollkommen verändert. Für die ältere Generation besteht der Lebensinhalt vor allem im Kontakt zur Familie, zu Freunden, zu Nachbarn. Genau dieser wurde ihr durch CoVid-19 genommen. Darüber hinaus wurden sehr viele Angebote ins Internet verlagert, ein großer Teil der Senioren hat jedoch keinen Zugang zum Internet. So wurde ihnen auf vielen Ebenen die Selbständigkeit genommen: Kindern verbaten den Eltern Kontakte, es wurde ihnen das Einkaufen abgenommen und ohne Internet können sich Senior*innen noch nicht einmal alleine zum Testen anmelden.
Auch Gabi Reither, Leiterin des Seniorenzentrums Regauer Lauben in Regau, kann darüber berichten: „Zu Beginn des ersten Lockdowns waren die meisten zuversichtlich. Mit dem Andauern der Pandemie sind die Älteren zunehmend mutlos, verzagt, fühlen sich – auch zu Recht - einsam und isoliert. Unpässlichkeiten und Krankheiten werden schwerwiegender empfunden, viel Lebensfreude geht verloren. Angstzustände nehmen ebenso zu wie Vergesslichkeit. Zudem hat die Belastung für pflegende Angehörige stark zugenommen, weil sie die Pflege kaum mehr teilen können. All dies zeigt, dass eine lang andauernde Isolation zu schwerwiegenden Folgen führt. Es muss abgewägt werden, ob die Auswirkungen der getroffenen Maßnahmen nicht größere Schäden verursacht als die Pandemie selbst.“ Die Leiterin des Seniorenzentrums Regauer Lauben plädiert für Möglichkeiten, Kontakte in verantwortungsbewussten Rahmen zu fördern, statt pauschale Verbote zu erteilen: „Wir haben im Seniorenzentrum ein Angebot unter dem Titel Hilfe für die Seele gestartet. Jeweils fünf Personen können sich treffen und sich in geschütztem Rahmen unter Beachtung umfangreicher Hygienemaßnahmen unterhalten. Dieses Angebot wird sehr gerne angenommen, und stets erhalten wir dann die Rückmeldung, wie gut es war, sich wieder einmal unterhalten zu können!" Es ist also nicht gleich der derzeit schwierige Wunsch nach Normalität, den die Seniorinnen und Senioren hegen, sondern vielmehr v.a. der Wunsch nach Möglichkeiten des zwischenmenschlichen Austausches. Das sollte doch eigentlich machbar sein.
Unersetzliche Blaulicht-Organisationen
Dr. Johannes Beer, Bezirksstellenleiter des Roten Kreuzes Vöcklabruck über ein bewegtes, vergangenes Jahr: „2020 hat alle gefordert, den Mensch im Privaten ebenso wie im Beruflichen, auf organisatorischer, finanzieller und sozialer Ebene. Als Bezirkshauptmann war ich, dank meiner ehrenamtlichen Tätigkeit für das Rote Kreuz, überaus dankbar, einen so guten, engen und direkten Draht zum Roten Kreuz zu haben. Alle Blaulicht-Organisationen haben in dieser Zeit ihre Unersetzlichkeit gezeigt - das Rote Kreuz als hauptverantwortliche Organisation jedoch in einem besonderen Ausmaß. In diesen Zeiten zeigt sich, dass unsere Zivilgesellschaft in ganz erheblichem Maß auf den Blaulicht-Organisationen aufbaut.“
Fast 230.000 Stunden freiwillig geleistete Arbeitsstunden
Trotz widriger Umstände leisteten die Freiwilligen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen 2020 knapp 230.000 Stunden beim Roten Kreuz. Obwohl manches Angebot aufgrund von Hygienemaßnahmen und gesetzlichen Verordnungen heruntergefahren werden mussten, wurden dennoch fast so viele Stunden wie in den vergangenen Jahren erbracht, viele davon im Kampf gegen die Pandemie. „Dass unter all diesen wenig erbaulichen Umständen dennoch so viele freiwillig geleistete Arbeitsstunden zusammenkamen, beweist ein enorm hohes Arbeitsethos und eine schier unglaubliche Motivation unserer Freiwilligen. Ich bin sehr stolz auf die Kraft der Freiwilligkeit, auf die Hilfsbereitschaft und dieses starke Zeichen der Solidarität und Mitmenschlichkeit, die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hiermit in ihrer Freizeit gesetzt haben. An dieser Stelle auch ein riesengroßes Dankeschön an jede und jeden von ihnen“, zeigt sich Gerald Schuster, Bezirksgeschäftsleiter und Bezirksrettungskommandant des Roten Kreuzes Vöcklabruck, beeindruckt.
Über die besonderen Belastungen im Jahr 2020 führt Schuster weiter aus: „Der Verzicht auf die vielfältigen Angebote des Roten Kreuzes war für die Klientel des Roten Kreuzes ebenso schmerzhaft wie für uns selbst. Unsere Organisation ist darauf ausgerichtet, Erkrankte und Verletzte optimal zu versorgen und betreuen. Darüber hinaus haben wir schon lange weitere wichtige soziale Aufgaben übernommen. Wir bemühen uns, Lücken zu füllen, um Bedarfe in der Gesellschaft zu decken – so z.B. in der Pflege, u.a. auch, um deren pflegende Angehörige zu unterstützen. Unsere Kolleg*innen der Krisenintervention stehen Menschen in den dunkelsten Momenten ihres Lebens bei. ALPHA-Lesecoaches begleiten Kinder am Weg zum Lesen. Der Besuchsdienst widmet einsamen Menschen Zeit und Aufmerksamkeit. Eine unserer Aufgaben ist es auch, in Krisensituationen Führung zu übernehmen. Bisher haben wir die Krise als vorübergehenden, zeitlich begrenzten Ausnahmezustand definiert – z.B. ein Großereignis wie eine Massenkarambolage oder auch Hochwassersituationen. Neu ist eine Krise, die uns als Einsatzorganisation über ein Jahr lang einem Stresstest aussetzt – und dass wir dabei lernen müssen, unsere Abläufe langfristig anzupassen, auszubauen und widerstandsfähiger zu machen. Einfach damit neben der Krise nach wie vor auch der sogenannte ‚alltägliche Wahnsinn‘ bewältigt werden kann.“ Dass das Rote Kreuz dieser Herausforderung gewachsen ist, zeigen eindrucksvoll die Zahlen, die das Rote Kreuz im Jahresrückblick 2020 vorlegen kann.
Durch CoVid-19 hervorgerufene Veränderungen in 2020:
- Streichung der gemeinsamen Gruppenstunden des Jugendrotkreuzes.
- Streichung der Stunden gemeinsamen Lesens mit den ALPHA-Lesecoaches.
- Einstellen des Besuchsdienstes bei den Klient*innen.
- Viele Freiwillige des Roten Kreuzes gehören selbst zur so genannten vulnerablen Gruppe und konnten bis zu ihrer Impfung 2021 nicht arbeiten.
- Wegfall sehr vieler Übungen, v.a. der Übungen für Großereignisse.
- Die Krisenintervention arbeitete unter veränderten Bedingungen. „Aus Liebe zum Menschen“ war der Antrieb, als die Freiweilligen der Krisenintervention frühzeitig die allerhöchsten Hygienemaßnahmen ergriffen, um dennoch jederzeit Menschen in Notlagen beiseite stehen zu können.
- Die Krisenintervention übernahm im Auftrag der Behörden die telefonische Nachfrage bei Personen in Quarantäne nach deren Wohlbefinden und Situation zuhause.
- Das Angebot in den Regauer Lauben wurde fast komplett eingestellt.
- Ausbildung: viele Erste-Hilfe-Kurse konnten nicht stattfinden.
- Rettungsdienst:
- massiv erhöhtes Fahrtaufkommen, weil Mehrfachtransport plötzlich schwierig wurden,
- aufwändige Hochinfektionstransporte inkl. Reinigen des Transportfahrzeugs
- bei CoVid-19-Verdacht Arbeiten im Schutzanzug, was auf Dauer sehr anstrengend ist
- das ständige Tragen der FFP2-Masken erschwert das Arbeiten besonders bei körperlich intensiven Einsätzen
- Unbeschwertes, geselliges Beisammensein ist bis auf Weiteres unmöglich.